Winter, Wien und Flatterzunge

Es ist Anfang März und ich habe Weihnachten und Silvester weit hinter mir gelassen.
Vor allem Weihnachten hab ich dieses Mal ganz anders als gewohnt verbracht, und genau das war gut so und hat sich richtig angefühlt. So konnte ich die Feiertage trotzdem geniessen und hatte eine schöne Zeit. An einem Tag wurde ich von tollen Gästen in einem der Ferienhäuser zum Winter-Weihnachts-Grillen mit anschliessendem Spieleabend (-nacht) eingeladen. Den nächsten Tag habe ich in der Bar des Vater einer lieben Freundin verbracht, wo viele verschiedene Leute zusammen gegessen und gefeiert haben, die aus unterschiedlichsten Gründen nicht zuhause feiern konnten / wollten.
Am Silvesterabend war ich zusammen mit einer Gruppe von Freunden in der Hauptstadt Funchal, wo wir nach einem leckeren Essen das berühmte Feuerwerk hautnah miterleben konnten. Wir standen direkt an der Hafenpromenade und waren komplett umgeben von Feuerwerkskörpern.
Das Silvesterfeuerwerk von Madeira gehört weltweit mit zu den grössten und wird in der gesamten Stadt und sogar auf dem Wasser entzündet.
Für dieses farbenfrohe Spektakel liegen jährlich auch bis zu 14 Kreuzfahrtschiffe vor Anker, um vom Wasser aus die tolle Sicht auf die imposante Stadtkulisse zu ergattern.
Die Pyrotechniker geben jedes Jahr ihr Bestes und das Feuerwerk ist wirklich überwältigend. Man kommt aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Ein einmaliges Erlebnis.

Jetzt geht es also auf in den Frühling. Das zeigt sich hier vor allem an der deutlich gestiegenen Anzahl an Gästen in den Ferienhäusern. Es waren zwar auch im Winter ständig Touristen hier, aber jetzt merkt man schon einen deutlichen Anstieg. Nicht nur das mehr Gäste ankommen – es erreichen mich auch täglich deutlich mehr Buchungen. Eines der Ferienhäuser ist bereits das komplette Jahr 2022 ausgebucht. An manchen Tagen habe ich über 20 Buchungen erhalten.
Es wollen wohl viele endlich wieder reisen und anscheinend treibt auch das Winterwetter die Nordeuropäer auf die Buchungswebseiten, sodass sie zumindest schon mal die Vorfreude auf den Urlaub geniessen können. Mir soll es recht sein. Ich freue mich über die ganzen Reservierungen und bin froh, wenn die Ferienhäuser ausgebucht sind.

Ich selber habe mich auch mit Urlaubsplanung beschäftigt.
Meine Wandergruppe plant im Herbst einen Wanderurlaub auf den Azoren und wir sind zur Zeit dabei, uns zu informieren. Die Azoren sind bekannt für ihre vielen Wandermöglichkeiten und wir möchten dort auch den höchsten Berg Portugals besteigen, den 2351m hohen Pico.
Ein Trip zu den Azoren stand schon länger auf meiner Liste und noch zusammen mit Bas war eigentlich ein Urlaub dort in Planung, bevor wegen Corona diese Pläne verworfen wurden.
Ich freue mich auf jeden Fall schon, die dortige Natur kennenzulernen und die “grüne Therapie” auf diese Inselgruppe auszuweiten.

Ich lebe nun seit Juli 2020 auf Madeira – aber im Januar diesen Jahres habe ich die Insel zum ersten Mal für ein paar Tage verlassen. Im diesem Monat jährte sich der Todestag von Bas zum ersten Mal. Diese Woche wollte ich nicht hier auf Madeira verbringen und habe nach einer guten Ablenkung gesucht.
Da ich gerne ein wenig “richtigen” Winter erleben wollte, lange keine Städtetour mehr gemacht habe und Freunde in Wien wohnen habe, war die perfekte Ablenkung schnell gefunden.
Zusammen mit meiner Freundin Lisa (hier aus Madeira) habe ich unsere Freunde Coral und Alex besucht, die nach einiger Zeit in Salamanca, Spanien, nun seit ein paar Monaten in Wien leben.
Coral und Alex sind ein spanisch-österreichisches Pärchen, das wir letztes Jahr kennengelernt haben, als sie für ein paar Monate hier auf Madeira waren.

Es war eine tolle Zeit in Wien: es war total schön die Beiden wiederzusehen und es hat gut getan, in dieser Zeit einfach mal raus zu kommen. Wien ist eine sehr interessante und beeindruckende Stadt und auf jeden Fall eine Reise wert – auch das “Winter-Erlebnis” habe ich sehr genossen.
Ich musste natürlich vorher erstmal in irgendwelchen Kisten meine Wintersachen zusammensuchen, die ich hier auf Madeira seit der Ankunft nicht mehr getragen habe.
Winterjacke, Handschuhe, Schal, eiskalte Temperaturen, kalte Füsse, Schnee, Open-Air Schlittschuhbahn, geheizte Kaffeehäuser und leckerer Kaiserschmarrn haben für mich das Winterfeeling perfekt gemacht.
Wahrscheinlich kann man das alles vor allem dann geniessen, wenn man sonst das ganze Jahr über eher milde und angenehme Temperaturen hat, die frühe Dunkelheit am Nachmittag hatte ich bisher allerdings nicht vermisst.

Seit einigen Wochen habe ich auch jeden Mittwoch Portugiesisch-Unterricht. Nicht offiziell, aber ich treffe mich mit meiner Freundin Lisa für ein paar Stunden in einem Café und dann wird nur Portugiesisch gesprochen. Sie beantwortet mir Fragen und korrigiert mich bei meiner Aussprache. Ich habe eine Liste mit für mich unaussprechlichen portugiesischen Wörtern, die ich regelmässig übe und sie hoffentlich dann irgendwann ohne Probleme sagen kann. Das ging mir im niederländischen am Anfang ja genauso, ich habe also noch Hoffnung.
Zur Zeit übe ich fleissig meine Flatterzunge, also das rollende R mit der Zunge vorne an den Schneidezähnen. In der deutschen Sprache spricht man das “R” ja eher im Rachen aus, hier allerdings vorne mit der Flatterzunge. Zum Glück kenne ich ein paar Logopäden, die mich mit ein paar Übungen versorgt haben. Jetzt übe ich den ganzen Tag “bidi bidi bidi, bada bada bada, brumm, drumm, frumm, etc”.
Ich verstehe portugiesisch mittlerweile ganz gut, zumindest wenn die Einheimischen sich Mühe geben und langsam und deutlich mit mir sprechen. Madeira hat nämlich seinen ganz eigenen Akzent. Es ist, als würde man in Hannover hochdeutsch lernen und kommt dann ins tiefste Bayern. Also wenn sie hier untereinander loslegen, verstehe ich nur noch Bahnhof.
Mein Sprechniveau würde ich noch eher auf Kleinkindniveau einschätzen. Ich kann mich verständlich machen, bin aber weit weg davon, zufrieden zu sein, und hoffe, dass es in nächster Zeit noch deutlich besser wird.

Regelmässig kommt es natürlich auch zu lustigen Missverständnissen, da es portugiesische Wörter gibt, die einem bekannt vorkommen, allerdings dann doch etwas ganz anderes bedeuten.
So bestand mein Aufwärmtraining im Sportstudio aus 3×30 “Saltos” und ich habe mir den Kopf zerbrochen, wie ich das denn machen soll und habe schon nach einem Trampolin gefragt. Und mein Trainer hat überhaupt nicht verstanden, warum ich das so schwierig finde….. “Saltos” sind im portugiesischen nämlich nur “Sprünge”.
Ich habe mich auch immer gewundert, wenn Freunde hier Verabredungen / Termine abgesagt haben, weil sie “Constipação” haben. “Constipation” im Englischen bedeutet “Verstopfung”, dabei waren die Freunde bloss erkältet.
Diese lustigen Verwirrungen helfen allerdings dabei, dass man die richtige Bedeutung meist nicht mehr vergisst.

Ansonsten wird weiterhin regelmässig jeden Sonntag gewandert und es gibt immer noch neue Wanderwege und tolle Landschaften zu entdecken. Meine “grüne Therapie” ist fester Bestandteil meiner Woche und ich versuche, meine Arbeit immer so zu legen, dass ich keine Wanderung verpasse. Diese Gruppe ist mir so ans Herz gewachsen und ich geniesse diese gemeinsame Zeit sehr.
In den letzten Wochen hat die Natur auch wieder ihre Kraft gezeigt: ein Erdbeben hat uns alle an einem frühen Morgen wachgerüttelt (zum Glück ohne grössere Schäden) und im Februar wurden aufgrund eines Sturms 4-5 Tage lang fast alle Flüge umgeleitet oder ganz abgesagt. Ich habe auch vergeblich auf ein paar Gäste gewartet, die letztendlich auf den Kanaren, in Lissabon oder Faro gestrandet sind.
Die Natur kann total schön und beeindruckend sein, bleibt aber auch unberechenbar. Ich finde es eigentlich bemerkenswert, dass wir uns trotz der ganzen Technologie heute in manchen Sachen einfach der Natur geschlagen geben müssen.

Ich wünsche Euch einen guten und baldigen Frühlingsstart und schicke bis zum nächsten Mal ein paar Sonnenstrahlen.

Até à próxima!

Janine